mir der bundesstiftung baukultur und dem gemeinnützigen verein kultdiak stuttgart e.v. unterwegs im kulturbunker. »
farbe erleben im alter
meine anerkennung für ein sehr gut vorbereitetes und inhaltlich spannendes Seminar! ein jahr lang hat die firma brillux sich mit ihren fachabteilungen, externen beratern und handwerklich kundigen mitarbeitern zum thema „farbe erleben im alter“ beschäftigt, die zusammenarbeit mit einer hochschule für aktuelle forschungen gesucht und für eine studie begleitet und unterstützt.
das ergebnis ist ein professionell organisiertes und kundig konzipiertes thema für architekten, planer und pflegebetriebsleitungen im bereich pflegeheim oder in der seniorenbetreuung.
farbe ist ein wunderbares und komplexes mittel bei der gestaltung von lebensräumen.
im räumlichen zusammenhang sind licht und farbe einerseits impulse für unterschiedliche stimmungen, sie geben aber auch funktionale und strukturierende impulse bei der benutzung räumlicher zusammenhänge.
eigentlich nichts neues, doch wie ist es, wenn unsere optische wahrnehmung nicht vollständig oder nicht korrekt ist? zwischen völliger blindheit und leicht eingeschränktem sehen liegen viele grade einer Sehstörung. eine nicht zu verhindernde verminderung unserer sehkraft bringt unweigerlich uns allen das alter, ganz unabhängig von der sonst gesunden ausstattung unseres augenlichts. bei zunehmender alterung unserer gesellschaft ist dies eine behinderung, die als schleichendes phänomen auftritt, auch bei sonst bester körperlicher gesundheit.
menschen mit einer optischen behinderung durch vererbung, unfall oder krankheit und viele brillenträger sind oft von schon seit früher kindheit oder jugend mit optischen einschränkungen vertraut. für die gut sehenden, restlichen menschen beginnt jedoch mit ca. 30 jahren ein alterungsprozess der augen, der sich mit jeder dekade des lebens deutlicher niederschlägt. unsere sehkraft lässt nach, die wahrnehmung von licht, farben und kontrasten verändert sich. eine kleiner werdende pupille verdunkelt unsere eindrücke, ein gelbschleier legt sich unmerklich über alles bunte und farbige, unser gesichtsfeld verengt sich und wir reagieren empfindlicher auf blendung.
wir denken als gestalter und erkennen an diesen faktoren: irgendwann werden wir das blau verlieren, sanft geht es in einen grünton über. violettes übersiedelt in die familie der brauntöne, rot wird orange, weiß blendet uns oder rutscht in beige töne. insgesamt werden alle farben weicher, trüber, grauer. die texturen und materialitäten werden schwieriger ablesbar, helles licht oder reflektionen blenden uns bis zur schmerzgrenze. wir wenden uns ab, sind für kurze zeit orientierungslos, oft trotz brille.
gibt es hier hilfestellungen, rezepte, tips und tricks um der entwicklung einer sehverschlechterung entgegenzuwirken?
nein, körperlich betrachtet ist das schlechtere sehen im alter eine normale Begleiterscheinung. doch was können wir tun, um gestaltend zu unterstützen oder zu kompensieren?
um am eigenen leib zu erfahren, wo die „fallstricke“ und „wackelpartien“ des optisch eingeschränkten alltags liegen, simulieren wir seminarteilnehmer in einem kleinen parcours alltägliche situationen und testen mit speziellen, für uns preparierten brillen, farbkarten, materialien, lichteffekte, texte und grafiken, als auch räumliche aufgaben im treppenhaus, flur, sanitärbereich und beim einkaufen.
wie zu erwarten sind wir teilnehmer persönlich betroffen davon, was plötzlich alles nicht mehr geht, an wie viel stellen unser alltag betroffen wäre. kleingedruckte zeitpläne von bus- und bahn, inhaltsstoffe auf packungen, farbzuordnungen, texte, grafiken verlieren komplett ihre lesbarkeit. beim betreten von treppen und böden wird uns schwindelig. dinge werden nicht erkannt oder vollständig übersehen. unsicherheit und unbeholfenheit sind unmittelbar spürbar, obwohl uns sonst keine körperlichen einschränkungen ausbremsen würden.
nach dieser misslichen erfahrung interessiert uns im seminar um so mehr, wie sich der alltag mit eingeschränkter sehtüchtigkeit besser planen und anbieten lässt.
gut vorbereitet, erklärt uns die dreiköpfige seminarleitung mit zahlreichen vorbildlichen und schlechten beispielen, wo sich konkret möglichkeiten zur hilfe anbieten.
wege, treppen, flure, eingangsbereiche, zimmer, bäder und wc´s, gemeinschaftseinrichtungen oder öffentliche gebäude, pflegeinrichtungen und krankenhäuser.
klare kontraste, die klare farbliche differenzierung angrenzender flächen, vermeidung von blendeffekten durch geeignete blendfreie materialien, gute ausleuchtung und zonierung mit licht, offensichtliche abgrenzung von raumkanten, zum beispiel den fußbodenkanten zur besseren orientierung beim gehen.
große schriftzeichen oder ziffern wo möglich, einrichtungsgegenstände, die wiedererkennungsmerkmale anbieten, hindernisse benennen und nicht kaschieren, gleichtönikeit über alle raumelemente vermeiden.
insgesamt gibt es viele „diskrete“ maßnahmen, die zu einer hochwertigen umgebung beitragen, von der nicht nur menschen mit optischen einschränkungen profitieren, sondern auch „noch nicht“ betroffene.
wir sind alle dankbar für eine hilfreiche und funktionierende Umgebung. bei zunehmend mehr älter werdenden menschen, zu denen auch wir in zukunft gehören wollen, ist also eine umsichtige und kompetente gestaltung unserer jeweiligen umgebung die grundvoraussetzung für eine gute und möglichst selbstbestimmte Lebensqualität. dies hilft nicht nur den betroffenen menschen selbst, sondern erleichtert das gesellschaftliche und gemeinsame zusammenleben aller. je länger wir eigenständig den alltag bewältigen, ums so weniger benötigen wir an diesen „unnötigen“ stellen hilfe, ersparen uns frustrationen und den betroffenen den frühzeitigen rückzug aus der Gesellschaft. dies gilt für den öffentlichen raum, öffentliche gebäude und den privaten raum in gleicher weise. die barrierefreiheit ist eine wichtige qualität und unabdingbare anforderung an unseren alltag, hier müssen wir gedanklich neben rollstuhlfahrern auch menschen mit seheinschränkung hinzuzählen, zu denen wir alle – im besten fall – auch später dazugehören möchten.
vielen dank der firma brillux für das zur verfügung stellen der bilder und der seminarmaterialien, die wir in auszügen in diesem bericht zeigen.
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